Abgesehen davon, dass Entschleunigung ein guter Grund für mich war, in den letzten Wochen meine Aktivitäten auf diesem Blog wiedermal relativ sparsam zu halten, auf den 1. Blick nicht viel. Doch schon auf den 2. Blick erkennt man so was wie einen umgekehrt – proportionalen Zusammenhang.
Denn unser enormer Plastikverbrauch (vor allem bei Verpackungen von Lebensmitteln und Verbrauchsgütern) hängt wohl nicht unwesentlich damit
Klingt vielleicht ein wenig provokant, doch angesichts der Tatsache, dass die Frage nach dem „zeitlichen Mehraufwand“ unserer plastikreduzierten Lebensweise (gemeinsam mit dem „finanziellen Mehraufwand“) zu den häufigsten bei meinen Vorträgen und Lesungen gehört, erscheint mir diese sanfte Provokation durchaus berechtigt:
Denn gerade wenn es um eines der essentiellsten Themen des menschlichen Lebens – nämlich unsere Ernährung – geht, scheint bei vielen Menschen die Zeit besonders knapp zu sein. Immer wieder wurde ich in den letzten Jahren gefragt: „Kochen Sie (noch) selber?“ Anfangs wusste ich tatsächlich nicht, wie diese Frage gemeint sein könnte. Vermutete da jemand, wir hätten eine Köchin?
Hilft Plastik beim „Zeit Sparen“??
Tatsächlich ging es allerdings um ein ganz anderes Phänomen: Fertigprodukte und Halbfertigprodukte (Convenience Food, arbeitserleichternde Essenszutaten oder Fertiggerichte), die heutzutage in vielen Haushalten die ursprünglichen Zutaten ersetzen und angeblich helfen, „Zeit zu sparen“.
Komischerweise habe ich das Gefühl, dass die meisten Menschen, die solche Produkte verwenden, auch nicht mehr Zeit „haben“ als ich – im Gegenteil. Möglicherweise liegt das zumindest teilweise daran, dass viele von ihnen mehr arbeiten, mehr verdienen, mehr Unnötiges kaufen und mehr entsorgen als ich. So gesehen könnt man zur Einschätzung kommen, dass die “zeitsparenden“ Produkte eher einen Teil des Problems als einen Teil der Lösung darstellen. Ähnliches gilt im Übrigen natürlich für „selbstputzende“ Reinigungsmittel (mit entsprechend giftigen Inhaltsstoffen) oder wundersam verjüngende Kosmetik –und Pflegeprodukte.
Wenn uns die Zeit zum Einkaufen, zum Kochen, zum Putzen, zum älter Werden und vor allem die Zeit über all das in Ruhe nachzudenken, fehlt, müssen wir das irgendwie kompensieren. Und da werden wir dann nur allzu oft willige Opfer einer Industrie, die uns vorgaukelt, man könne dem Leben Zeit abringen, indem man ihre Produkte kauft.
Fertiges Essen, hochgiftige Haushaltschemikalien, Wasser in Plastikflaschen, Wegwerfwindeln, Kosmetik aus Erdöl,….all diese Dinge haben uns in den letzten Jahrzehnten suggeriert, wir könnten uns damit „Zeit sparen“ – doch hat seither irgendjemand tatsächlich mehr Zeit?
Um nicht falsch verstanden zu werden. Es ist nicht so, dass ich all diese Dinge prinzipiell in jeder Lebenslage ablehne. Ohne Waschmaschine würde ich persönlich zum Beispiel sicher verzweifeln, doch dass uns technische oder elektronische Geräte, Autos oder in Plastik verschweißte Fertigprodukte tatsächlich Zeit schenken, ist eine Illusion, der wir uns nicht länger hingeben sollten.
Unser Umgang mit all diesen mehr oder weniger zukunftstauglichen Errungenschaften, ist nämlich leider im Großen und Ganzen nicht darauf ausgelegt, uns mehr „freie“ Zeit zu schaffen. Die Zeit, die wir durch diese Dinge (theoretisch!) gewinnen, wird innerhalb des bestehenden Systems logischerweise hauptsächlich in mehr Aktivität für mehr Geld für noch mehr von diesen „zeitsparenden“ oder zeitfüllenden Dingen, investiert. Wir sollen ja dann schließlich auch wieder das neueste Handy, den noch sparsameren Geschirrspüler, den noch flacheren Bildschirm kaufen. Und das Geld für all diese Dinge kostet uns wiederum Zeit….und so könnte das theoretisch endlos weitergehen, wäre die Welt nicht ein begrenzter Raum und der Mensch nicht ein endliches Wesen.
So gesehen hat die Reduktion von Unnötigem (und das ist der Verzicht auf Plastik in sehr vielen Bereichen) sehr viel mit Entschleunigung zu tun. Und Entschleunigung wiederum sehr viel damit, dass man überhaupt wieder wahrnehmen kann, was man zum Leben wirklich braucht.
Dennoch werde ich die Zeit auch teilweise im Sinne der Plastikvermeidung nutzen. Ich arbeite nämlich gerade daran, Euch und allen zukünftigen Plastikvermeidern, das Finden von alternativen Produkten und Verhaltensweisen zu erleichtern, wobei mir freundlicherweise ein Computer affiner Leser dieses Blogs behilflich ist. Ich hoffe sehr, dass ich Euch nach der Sommerpause schon Neues darüber berichten kann und wünsche Euch inzwischen einen schönen, plastikarmen und entschleunigten Sommer.
Und in diesem Sinne wünsche ich auch dem Verein „Mach langsam“ (www.mach-langsam.at), der mich eingeladen hat, Ehrenmitglied zu werden viel Erfolg, viel Ruhe und Gelassenheit und viel Zeit für die Verfolgung seiner Vereinsziele und hoffe, dass das eine oder andere Mitglied auch einmal auf meinem Blog www.keinheimfuerplastik.at vorbeischaut!
Uwe
November 13th, 2014 – 15:01
Also auf Waschmaschine und andere wichtigen Haushaltshelfer möchte ich nicht verzichten. Verzichten kann ich aber auf Fertigfood und das ganze Zeug. Selbst zu kochen ist auch nicht mehr arbeit…
Zwergenmama
August 5th, 2014 – 11:40
Schöner Beitrag danke! Ich fühle mich auch immer an Momo erinnert wenn die Leute mich fragen warum ich Dinge selbst mache wo es doch Produkte gibt die Zeit sparen… Ich fühle mich auf jeden Fall sehr wohl mit meinem Plastik freien und entschleunigten Leben in dem ich viel mehr Zeit mit meinen Kindern beim Selbertun verbringe!
Viele Grüße von der Zwergenmama
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